Familien- und Demographie-Debatte weiterhin zu eng

Elterngeld und Kinderbetreuung sollen helfen, das Aussterben der Deutschen zu verhindern. Das ist nett gedacht von Familien-Profi Ursula von der Leyen, greift aber sicherlich zu kurz. Indikator dafür sind die Reaktionen auf den jüngsten Familienbericht und auf das Vorhaben, Väter (nur teilweise, statt hälftig wie in Schweden!) in die Eltern-pflicht zu nehmen. Medien verschiedener Couleur stellten unverhohlen die Frage, ob die Frauen bzw. Mütter in Deutschland faul wären! Unglaublich! Nicht nur, dass Frauen in Deutschland schon lange gnadenlos auf die Haus-frauen- und Mutterrolle festgelegt werden. Männer wehren und weigern sich standhaft dagegen, derart verweichlichte Tätigkeiten mit zu übernehmen – oder sie werden aus ihrem Kerleclub ausgeschlossen. Viel zu gut gefallen sich deut-sche Männer in Kämpfer-, Sieger- und Macherrollen. Hierzulande herrschen – im wahrsten Sinne – weiterhin starre Vorstellungen über Geschlechterrollen, und damit auch über Elternschaft. Entsprechend ist die niedrige Geburtenrate nur teilweise ein Struktur- und Finanzproblem. Natürlich helfen Kitas und Ganztagsschulen – dann geht es auch mit der Bildung bergauf… Aber Frau von der Leyen wird sich Kinder nicht für 300 Euro pro Monat kaufen können.Solange Politik und Gesellschaft nicht verstehen, dass die Entscheidung gegen Kinder auch deutlich sozio-kulturelle Gründe hat, wird sich nichts ändern. Solange ein hierarchisches Verhältnis zwischen Eltern und Kinderlosen und zwischen Mann und Frau so sichtbar besteht, werden Paare, vor allem aber Frauen sagen: Nicht mit mir. Ich verstehe diese Entscheidung. Mehr noch: Wenn ich eine Frau wäre, wollte ich hier auch keine Kinder bekommen. Die Abfäl-ligkeit, Geringschätzung und Aus- bzw. Eingrenzung, mit der Schwangeren oder jungen Müttern begegnet wird – teilweise von Männern, teilweise von coolen Kinderlosen – gleicht einem Schalter, der umgelegt wird: Gestern noch Kumpel, heute abgeschrieben. Wieso ist das hier deutlicher als anderswo spürbar? Weil „Familie“ in Deutschland sehr lange, wenn nicht immer schon, ein spießiges Konzept gewesen ist. Und damit beißt sich die Katze in den Schwanz: Langweilige Vorbilder, Stereotype über Eltern, insbesondere Frauen, ungünstige Machtverhältnisse, benach-teiligende Ressourcenverteilung, Ablehnung des Modells. Dies kommt angesichts des lang bekannten Wertewandels ebenso wenig überraschend, wie die Rentenmisere im Lichte des lang bekannten Pillenknicks! Nur dass Deutschland in beiden Fällen mit einfältigen Bestrafungsmechanismen reagiert: Wenn ihr keine Kinder habt, dann bekommt ihr weniger Rente und müsst mehr Krankenversicherung bezahlen. Nun wird auch noch der Unterhalt auf Kinder konzentriert und bald darf im Bus keiner ohne Kinder sitzen, wenn Familien mit Kindern mitfahren?! Nein, Frau von der Leyen. Sie wollen Menschen ohne Kinder dazu bewegen, Kinder zu bekommen. Dann geben Sie ihnen nicht auf Schritt und Tritt das Gefühl, bisher den falschen Lebensentwurf gewählt zu haben, sondern kümmern sie sich um das Umfeld, in dem sie leben. Statt 250 Einzelregelungen zugunsten von Kindern einfach ein wirklich hohes Kindergeld. Vor allem aber brauchen wir eine of-fene Leitkultur: Moderne Vorbilder und einen positiven Umgang mit der Vielfalt des Lebens, der Vielfalt der Fami-lien und einer Vielfalt von Kindern! Schauen wir doch auch kulturell mal, wie es unsere europäischen Nachbarn ma-chen!