Wirtschaft muss umdenken! Berücksichtigung individueller Bedürfnisse wird zum Erfolgsfaktor

Nicht nur, dass sich Frauen immer häufiger für ein Hochschulstudium entscheiden: Entgegen gängigen Klischees zieht es sie obendrein verstärkt in technische Berufe. In den begehrten Ingenieurwissenschaften erreichen sie den Abschluß sogar schneller als ihre männlichen Kommilitonen. „Hier wächst ein qualifiziertes Arbeitsmarkt-Potenzial heran, das von der Wirtschaft bislang sträflich vernachlässigt wird“, kritisiert Michael Stuber von der Kölner Unternehmensberatung mi•st [ Consulting, der als Experte für „Diversity-Management“ (d.h. die optimale Nutzung von Vielfalt) namhafte Konzerne wie Hewlett-Packard Europa, die Deutsche Bank Group und Kraft Foods berät. Eine Analyse der aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes (Wiesbaden) belegt: Der Anteil der Frauen an allen Studierenden stieg in den letzten acht Jahren kontinuierlich von 39,7 Prozent im Jahre 1992 auf 45,2 Prozent im Jahre 1999. Auch ihr Anteil an den Studienanfängern und an den Absolventen wächst seit 1993, so dass davon auszugehen ist, dass immer mehr hochqualifizierte weibliche Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden. „Zweifellos ein Potential, das nur wenige Unternehmen im Blick haben“, kommentiert Stuber.

Das gilt besonders für technische Berufe. So hat der Anteil von Frauen an den Studienanfängern der Ingenieurwissenschaften seit 1992 von 16,9 Prozent auf stattliche 21,8 Prozent im Jahre 1999 zugenommen. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Gesamtzahl der begehrten diplomierten Spezies 1998 unter das Niveau von 1995 gesunken ist – bei steigendem Bedarf. Auch die Leistung der Technik-Damen überzeugt: Sie erreichen ihren Abschluß im Durchschnitt 0,4 Semester schneller als die Herren.

„Die Wirtschaft muß sich schnellstens auf diese Veränderungen und Differenzierungen auf dem Arbeitsmarkt einstellen“, fordert der Diversity-Management-Berater. Dabei hat er sowohl die Personal-Beschaffung als auch das Personalmanagement im Visier: „Die Werbung um begehrte Absolventen muß sich gezielt auch an Frauen wenden und darf diese nicht schon durch einseitige Formulierungen oder deplaziertes Bildmaterial abschrecken.“ Nach Beobachtung Stubers werden häufig unbewußte Vorannahmen bezüglich der potentiellen (männlichen) Kandidaten gemacht. „Auch die Vertrags-Angebote und Arbeitsbedingungen müssen besser auf die immer vielfältigere Belegschaft abgestimmt

werden“, empfiehlt Stuber weiter. „Flexibilität bei Arbeitszeit und Benefits kennzeichnen schon heute jeden fortschrittlichen Arbeitgeber. Bei Frauen geht zum Beispiel der Trend hin zur Kombination von ‚Kind und Karriere‘ — früher wurde noch eine ‚ Oder‘-Entscheidung erwartet. Die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, natürlich auch unkonventioneller, wird für Unternehmen angesichts zunehmender Vielfalt zum Erfolgsfaktor.“ Die Zahlen geben dem Berater recht: Von allen Frauen studieren inzwischen 30,8 Prozent Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Ihre Abschlußnoten sind besser als die der Männer in diesen Disziplinen.