Werteunterricht oder Religion?

Am 9. April haben die Delegierten des Bildungsparteitages der Berliner SPD beschlossen, im kommenden Schuljahr das Schulfach Werteunterricht für alle Berliner SchülerInnen einzuführen. Ab der siebten Klasse sollen SchülerInnen in diesem religiös und weltanschaulich neutralem Pflichtfach über Lebensgestaltung, Normen und kulturell-religiöse Traditionen unterrichtet werden und sich über wesentliche Grundlagen des Zusammenlebens austauschen. Es kann nicht zu Gunsten eines Religionsunterrichts abgewählt werden. Das Fach Religion wird es weiterhin als ein freiwilliges Zusatzangebot geben.
Die Reaktion der Kirchen, der Oppositionsparteien und auch aus den Reihen der SPD ist scharf. Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU, Jürgen Rüttgers, kritisierte, die Idee des Werteunterrichts könne „nur von Leuten kommen, die nicht verstanden haben, was Kinder für ein selbstbestimmtes Leben brauchen: Werte und eben Gott“. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sprach von einer „schrecklichen Fehlentwicklung“ bei den Sozialdemokraten in der Hauptstadt. Und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sein Missfallen über die Entscheidung der Berliner SPD.
Unternehmensberater Michael Stuber bezeichnet die geführte Diskussion als grotesk: „Ein multikulturelles Land wie Deutschland braucht ein Verständnis der BürgerInnen für unterschiedliche Lebensformen und religiöse Hintergründe. Das Wissen über die Eigenheiten und Traditionen anderer Kulturen hilft, Konflikte zu vermeiden und die Akzeptanz gegenüber Anderen zu erhöhen“. Die Einführung eines Werteunterrichts mit interkulturellen Elementen sei die richtige Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen, so Stuber weiter. Die einseitige Vermittlung christlicher Werte würde dagegen der Vielfalt der Menschen hierzulande widersprechen. Der Charakter des Wahlfaches passe dagegen besonders gut zu dem Konzept eines ‚selbstbestimmten’ Lebens.