Jobs passend zum Lifestyle ?

Mainstream Ade — Immer mehr Individualisten fordern Beachtung. Traditionelle Familie immer seltener: Auch Unternehmen müssen sich ändern

Das Streben nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz und der Wunsch nach privater Unabhängigkeit zwingt die Wirtschaft zu Flexibilität. Sowohl die Zahl nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften als auch die Anteile von Ein- und Zweipersonenhaushalte stiegen 1999 weiter an. „Die Unternehmen müssen ihre Beschäftigungsmodelle flexibler gestalten und die Werbung an die neue, individualisierte Kundenstruktur anpassen“, folgert Michael Stuber von der Kölner Diversityberatung mi•st [ Consulting, die führende Unternehmen wie Hewlett-Packard oder Kraft Foods bei der optimalen Nutzung von Vielfalt berät. Schon seit 1976 vermeldet das Statistische Bundesamt (Wiesbaden) immer neue Rekordzahlen bei Single-Haushalten, zuletzt für 1999: Mit 13,5 Millionen stellen sie 35.7 % und damit die größte Gruppe aller Haushalte, dicht gefolgt von den Zweipersonenhaushalten (12,6 Millionen = 33,3%). Größere Haushalte spielen statistisch gesehen eine Nebenrolle (14,8 % Dreipersonen, 11,6 % Vierpersonen) — Tendenz weiter fallend. „Angesichts dieser Zahlen ist es nicht zu verstehen, daß sich die Werbung geradezu notorisch auf Familien mit Kindern konzentriert. Millionenschwere Produktlinien und Sonderaktionen setzen auf Traditionelles, während das große und sogar wachsende Segment der Individualisten auf eine Trend-Nische begrenzt wird“, kritisiert Stuber.

Der moderne ‚ Lifestyle‘ wirkt sich aber auch auf den Arbeitsmarkt aus. Immer mehr Alleinerziehende erwarten von ihren Arbeitgebern Flexibilität in Sachen Arbeitszeit und Arbeitsorganisation: Während 1991 noch 15,7 % der Familien mit einem Elternteil auskamen, wiesen 1998 schon knapp 20 % diese Form auf — das sind 1,87 Millionen Familien. „Fortschrittliche Firmen nutzen dieses Potential durch Teilzeit- oder Flextimemodelle und Home-Offices. Der große Fehler besteht darin, diese Arbeitsformen nicht als vollwertig anzuerkennen und fast nie im Management anzubieten“, berichtet Stuber.

Auch die Art des Zusammenlebens von Menschen verlangt Beachtung durch die Wirtschaft. Im Vergleich zu 1991 ist die Zahl der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften um 50% auf 2,1 Millionen gestiegen. Experten wissen, daß dieser Trend in der Lebensgestaltung keine Modeerscheinung, sondern Ausdruck des umfassenden Wertewandels ist. „Eigentlich war es schon immer unangebracht, in Einstellungsgesprächen nach dem Familienstand zu fragen. Heute ist es sogar nachteilig, weil Kandidatinnen und Kandidaten darin eine traditionell-konservative Ausrichtung ihres potentiellen Arbeitgebers sehen, die nicht zu ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung paßt“ kommentiert der Vielfalts-Experte Stuber und verweist weiter auf die Generationen X und Y, die durch neue Medien und internationale Mobilität ein fundamental aufgeschlossenes Welt- und Menschenbild haben. „Unternehmen müssen die vielen Unterschiede in der Gesellschaft nicht nur akzeptieren, sondern allen individuellen Mitarbeitern Raum für Entfaltung geben. So entsteht Kreativität und

Innovationskraft, die langfristig internationale Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Erfolg sichern.“