International Managing Diversity Conference, Universität Potsdam

Diversity hat als Managementphänomen inzwischen eine mehr als 30 jährige Tradition in Forschung und Praxis. Jüngste Studien zeigen, dass die Thematik sogar weiterhin zunehmende (internationale) Beachtung erfährt. Eine ungebrochen steigende Anzahl von Veröffentlichungen und Tagungen sowie hochinteressante Praxisberichte zeugen davon, dass Diversity Management den raschen Wechsel von “prominenten” Management-Ansätzen der vergangenen Jahrzehnte souverän überlebt hat und auch weitere Moden überleben wird. Das diesjährige Thema “Making Diversity Work Throughout the World” zielte auf aktuelle Erkenntnisse zu Strategien, Modellen und Toolkits für Diversity Management im General Management, Diversity Management im (internationalen) Human Resource Management und Diversity Management im (internationalen) Marketing. Der Diversity-Allround-Experte Michael Stuber lieferte drei sehr unterschiedliche Beiträge zu der internationalen Veranstaltung. Er berichtete aus seiner Forschung und Praxis im Bereich Diversity, zu aktuellen Erkenntnissen zum Transfer von Diversity in den Bereich der Anti-Diskriminierung und von ersten Erfahrungen mit europaweiten Diversity-Trainings. Ziel aktueller Diversity-Trainings ist es, Diversity intensiver in Organisationen zu verankern. In der Praxis lassen sich grundlegende Bausteine für ein erfolgreiches Diversity-Training identifizieren, die hier vorgestellt werden. Individuelle Wahrnehmungen: Unsere Wahrnehmung wird in außerordentlich starkem Maße beeinflusst durch die eigene Erfahrung, das Vorbild oder den Einfluss anderer Personen sowie die kulturelle Prägung. Die Wahrnehmungsurteile sind folglich von persönlichen Erfahrungen bestimmt. Gefühle und Erfahrungen: Verständnis für Anderssein. Vielen Individuen ist ihre Gruppenzugehörigkeit zu einer dominanten Gruppe und die damit verbundenen Vorteile nicht bewusst. Erst durch Situationen, in der sie selbst zur Minorität zählen, wird ihnen klar, welche Gefühle bei Menschen entstehen können, die „anders“ sind. Die Praxis hat gezeigt, dass das Bewusstsein für das „Anderssein“ geschult werden kann. Gruppenzugehörigkeit: Eine andere Form bildet die bewusste Zugehörigkeit zu einer Gruppe. In diesen Fällen spricht man von Ingroup und Outgroup, zwischen denen Mechanismen zu identifizieren sind. Persönliche Vorurteile und Organisationskultur: Persönliche Vorurteile und die Organisationskultur sind zwei Mechanismen bzw. wesentliche Gründe dafür, warum Monokulturen entstehen und erhalten werden bzw. weshalb Veränderungen in Richtung einer Multikultur nur schwer möglich sind. Ergebnis: Erst wenn ein grundlegendes Bewusstsein für bestehende Situationen geschaffen und die Gründe für konkrete Konstellationen vermittelt wurden, ist eine Basis für Veränderungen geschaffen worden. Auf dieser Grundlage kann eine erfolgreiche Implementierung und eine nachhaltige Verankerung (Mainstreaming) von Diversity in Organisationen erfolgen. In seinem Marketing-Seminar besprach Stuber den traditionellen Ansatz des Massenmarketings: Das Massenmarketing geht von einer universellen Anwendbarkeit eines (bestimmten) Marketing-Mixes aus. Die Annahme, die hinter diesem Ansatz steckt lautet, dass die Märkte homogen sind und „Durchschnittstypen“ abbilden. Keine Berücksichtigung findet dabei die Tatsache, dass Vielfalt und Individualität gewachsen sind und diese Entwicklung weiter anhält. Über seine Studie “Vielfalt in der Fernsehwerbung” zeigt er, dass die bestehende gesellschaftliche Vielfalt kaum in der Fernsehwerbung widergespiegelt wird, sondern eine klare Präferenz für den Mainstream besteht. Damit herrscht eine deutliche Diskrepanz zur Marktrealität. Zwei mögliche Ansätze stellt der Berater als Lösung dar. Ansatz Zielgruppenmarketing: Das Zielgruppenmarketing agiert zwischen Massen- und Individualmarketing und geht von homogenen (Ziel-) Gruppen aus. Diese Gruppenbildung kann indes zu Stereotypisierungen führen; dann wird die Vielfalt innerhalb der jeweiligen Zielgruppen nicht berücksichtigt. Ansatz Diversity-Marketing: Das Diversity-Marketing umfasst drei Hauptvarianten: „Vielfalt“ (Die Bearbeitung des Gesamtmarktes über vielfältige Zielgruppen, ohne Stereotypisierungen zu verwenden, oder diese gezielt zu brechen); „p c“ (Die Bearbeitung des Gesamtmarktes, indem das Thema „Vielfalt“ explizit zur breiten Marktabdeckung genutzt wird) sowie „Inklusion“ (Die Bearbeitung des Gesamtmarktes auf eine offene Art und Weise, so dass vielfältige Kunden implizit angesprochen werden). Ergebnis und Schlussfolgerung: Das Mainstream-Massen-Marketing bietet keine nachhaltigen Potenziale, während das Traditions-Zielgruppen-Marketing erhebliches Konfliktpotenzial birgt. Diversity bietet ungenutzte Ressourcen, Inclusion zeigt zeitgemäße Werte und bietet zukunftsorientierten Umgang. In einer interaktiven Session zu den praktischen Auswirkungen der EU-Anti-Diskriminierungsrichtlinien beleuchtete Stuber, dass sich Organisationen im öffentlichen und privaten Bereich in der gesamten EU auf neue rechtliche Anforderungen einstellen müssen. Dies bezieht sich vor allem auf die sukzessive Umsetzung der drei EU-Anti-Diskriminierungs-Richtlinien (Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG, Rahmen-Richtlinie 2000/78/EG und die novellierte Gleichbehandlungsrichtlinie 2002/73/EG), über die der Workshop einerseits einen fundierten Überblick gibt und andererseits aufzeigt, welche Funktion Diversity bei der Umsetzung übernimmt. Geltungsbereiche: Die Antirassismus-Richtlinie und die Rahmen-Richtlinie beziehen sich (auch) auf den Bereich der Beschäftigung, und umfassen dort folgende Geltungsbereiche:  Zugang zu Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung, Arbeitsbedingungen sowie Mitgliedschaft und Mitwirkung in Organisationen. Handlungsfelder: Aufgrund der umgekehrten Beweislast in Streitfällen erscheint es erforderlich, dass Arbeitgeber die bestehenden Systeme (Strukturen, Prozesse und die Kultur) in einem ersten Schritt grundsätzlich und detailliert auf ihre Neutralität gegenüber Unterscheidungsfaktoren untersuchen (Auditierung). Mit Blick auf eine klare innerbetriebliche Umsetzung der relevanten EU-Richtlinien (bzw. nationaler Gesetze) bieten sich weiterhin verbindliche Leitlinien (Policy, Betriebsvereinbarung oder ähnliches) an, die Vorgaben und Erwartungen festschreiben und Folgen einer Nichtbeachtung detaillieren. Mit Blick auf das Risiko, das Diskriminierungsklagen darstellen sollten neben der Absicherung gegen dieselben durch die vorgenannten Schritte gezielte Prävention betrieben werden. Um eine Beachtung rechtlicher Vorschriften gewährleisten zu können, erscheinen Trainings geeigneter Zielgruppen im Unternehmen angebracht, in denen die zugrundeliegenden Konzepte (Diskriminierung – Chancengleichheit, Ausgrenzung – Einbeziehung, Belästigung – Integration) vermittelt und angemessene Verhaltensweisen sowie Interventionen erarbeitet werden. Ein letzter Baustein besteht in der dauerhaften Überprüfung der Einhaltung bestehender Regelungen, zum Beispiel durch ein Diversity Controlling, das neben einer Ergebniskontrolle die Einbindung von Mitarbeitergruppen beinhaltet.