GL E I C H D R E I WÜNSCHE AUF EINMAL – Diversity: DIE SCHNITTMENGE VON CHANCENGLEICHHEIT, ÖKONOMISCHEM ERFOLG UND SOZIO-POLITISCHER RAISON

Im Gewirr gutgemeinter Förderprogramme für Frauen, Unterstützungsprojekte für Behinderte und vermeintlicher Integration von MigrantInnen bleibt der Kernaspekt dieser Aktivitäten allzu häufig unerkannt: Es geht um Unterschiede. Es geht insbesondere um jene Unterschiede, die von der vermeintlichen Mehrheit, der „Gesellschaft“ – im Sinne einer Monokultur – als Minderwertigkeit interpretiert werden („von der ‚Norm‘ abweichend“).

Nun sind Unterschiede keineswegs etwas Schlechtes, führen sie doch zu der Vielfalt, die z. B. die Wirtschaft überhaupt erst funktionieren läßt und erfolgreich macht. Auch einige Staaten brüsten sich mit Vielfalt, die USA zum Beispiel; und die Europäische Union folgt dem Ideal, Vielfalt als Stärke zu leben. Wären da nicht die nationalen Unterschiede, Interessen und Befindlichkeiten, die uns das Leben so schwer machen … Diversity ist ein Prinzip der Unternehmensführung, das Unterschiede zwischen Menschen als Schlüssel zum Erfolg in den Vordergrund stellt. Jede Stigmatisierung früherer Ansätze und die dadurch hervorgerufene Gruppen-Polarisierung (Deutsche vs. ‚Ausländer‘, Männer vs. Frauen) werden durch die Fokussierung auf das Individuum aufgelöst: Alle Facetten der Persönlichkeit sind für eine Organisation von Bedeutung, gar eine Bereicherung, insbesondere jene, die Natur gegeben sind bzw. nicht ohne weiteres geändert werden können: Alter, Geschlecht, körperliche und geistige Befähigung, sexuelle Orientierung, Rasse oder ethnische Prägung sowie fundamentale Glaubensfragen. Es sind just diese Faktoren, die im neuen Artikel 13 des EU Vertrages und im Programm EQUAL genannt sind. Vor fünfzehn Jahren erstmals erwähnt gewinnt Diversity immer noch an Bedeutung und ist über jeden Zweifel einer Modeerscheinung erhaben – sogar die Aktienkurse von ‚Diversityfreundlichen‘ Unternehmen entwickeln sich überdurchschnittlich. Sicher haben in den USA und in Großbritannien rechtliche Rahmenbedingungen geholfen, diesen Ansatz voran zu bringen, aber die wirtschaftlichen Vorteile lassen Diversity vielerorts zum „Selbstgänger“ werden: Mehr Produktivität durch die bessere Nutzung vorhandener Ressourcen und durch verbesserte Zusammenarbeit, mehr Kreativität und höhere Problemlösungsfähigkeit durch die gezielte Nutzung und Kombination unterschiedlicher Fähigkeiten, höhere Marktdurchdringung und Kundenzufriedenheit durch die optimierte Beachtung der Verschiedenheit von KundInnen und vieles mehr.

Diversity wird sogar zur Pflicht, und zwar nicht nur für die gewinn-orientierte Wirtschaft, sondern auch für die öffentliche Verwaltung, für NGOs und nicht zuletzt für Staat und Politik: Denn alle demographischen und kulturellen Entwicklungen zeigen, daß Vielfalt immer weiter zunimmt:

  • Deutschland wird das große europäische Land mit der höchsten Quote ethnischer Minderheiten bleiben, diese verdoppelt sich binnen 20 Jahren
  • Die Umkehr der Altersverteilung stellt neue Anforderungen an das Verhältnis von Generationen und den Umgang mit ‚Alter‘
  • Die traditionellen Geschlechterrollen verlieren an Bedeutung
  • Homosexuelle Frauen und Männer werden zunehmend akzeptiert und selbstbewußt
  • Behinderungen stellen angesichts des technischen Fortschritts immer weniger Hindernisse dar
  • Die großen Glaubensgemeinschaften verlieren an Bedeutung
  • Das Leben wird von Individualität und nicht länger von Konformität geprägt (nichteheliche Lebensgemeinschaften, Alleinerziehende, neue Familienstrukturen, wachsende Bedeutung der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, drastisch erweiterter Horizont durch [neue] Medien etc.)
  • Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Akteure können diese Entwicklungen nicht aufhalten und sie sollten sie tunlichst nicht ignorieren, wenn sie glaubwürdig und erfolgreich bleiben wollen.

Sicher erfordert dies gerade in Deutschland ein deutliches Umdenken, ist doch unsere Kultur historisch bedingt und heute noch sichtbar vom Wunsch nach Gleichheit bestimmt: Die Gesamtheit aller Bürger wird durch einen Mehrheits-Durchschnitts-Wunsch-Typ beschrieben, während wir die US-Manie, stets Vielfalt abzubilden, belächeln. Es kann jedoch nicht bestritten werden, daß das deutsche Einheitsdenken mehr als 50 % der Bevölkerung ausblendet, während die bunte „Bennetton-Welt“ größere Reichweiten aufweist.

Aber es steht auch der deutsche Sinn für Gerechtigkeit auf dem Spiel: Gleichbehandlung heißt in vielen Kreisen das Zauberwort, das jedoch fast überall im Ausland als Unwort auf Unverständnis und Ablehnung stößt: Menschen sind unterschiedlich und echte Fairneß (Chancengleichheit) verlangt in vielen Fällen eine unterschiedliche (individuelle) Behandlung. Der Kern von Diversity verfolgt dieses Ziel: Menschen sollen mit all ihren Unterschieden berücksichtigt werden: Als Bürger, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Aktionäre, Wähler etc. Dabei stehen wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Interessen und nicht soziale Verantwortung im Vordergrund. Quoten oder Bevorzugung bestimmter Gruppen gibt es bei Diversity nicht mehr, so dass viel Konfliktpotential vermieden wird.