Diversity: Mode oder Muss?

Obwohl das Interesse an Diversity sowohl in der Forschung als auch in Arbeitsorganisationen wächst, muss sich der Ansatz immer wieder gegen den Vorwurf einer Modeerscheinung wehren. Diversity, so Kritiker, sei eine von vielen US-amerikanischen Managementkonzepten, auf deren kometenhafter Aufstieg der schnelle Fall folgen werde.

Bereits der Begriff “Diversity” sorgt für Irritationen – das englische Wort trägt mitunter zur Skepsis bei, obwohl in anderen, vor allem technischen Bereichen gerne auf angelsächsische Begriffe zurückgegriffen wird. Die vielfältigen Definitionsmöglichkeiten, Paradigmen und Zugänge verwirren zusätzlich und tun damit ihr übriges. Der Vorwurf einer Modeerscheinung kommt in diesem Zusammenhang gelegen. Er weist einerseits auf eine mögliche Scheu vor Veränderungen hin, andererseits auf eine nicht unmittelbar vollziehbare Identifikation mit dem Ansatz.

Doch was umfasst das Konzept “Diversity”? Offensichtlich erscheint zunächst die Übersetzung mit “Vielfalt”. Hier spielt jedoch die feine Unterscheidung der Groß- und Kleinschreibung im Englischen eine wichtige Rolle: Während sich “diversity” – mit kleinem “d” – auf Unterschiedlichkeiten bezieht, beschreibt “Diversity” – auch im Englischen mit großem “D” – ein Gesamtkonzept für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dabei bezeichnet Diversity das Zusammenwirken mehrerer Bausteine, durch das Unterschiedlichkeiten in und von Organisationen (an-)erkannt, wertgeschätzt, einbezogen und so als positive Beiträge genutzt werden. Der Grundgedanke lautet: Vielfalt ist kein Wert und kein Ziel an sich. Erst durch Offenheit für Anderes und durch Entfaltungsmöglichkeiten für Andere können Mehrwerte entstehen. In dieser Gesamtheit und Breite stellt Diversity tatsächlich ein neues Konzept dar.

Gesellschaftliche Veränderungen als unausweichliche Realität

Der Vorwurf einer Modeerscheinung ist in vielerlei Hinsicht irreführend: Gesellschaftliche Veränderungen wie der demographische oder der Wertewandel stellen tradierte Unternehmenskulturen und -strategien in Frage. Veränderte Rahmenbedingungen erfordern neue Ansätze und Antworten. Die häufig un- oder unterbewusst auf den “deutschen Familienvater mittleren Alters” zugeschnittenen Systeme erweisen sich als nicht länger wettbewerbsfähig, im Kampf um die besten Köpfe, die innovativsten Lösungen und die nationalen und internationalen Märkte. Besonders für international tätige Unternehmen und Organisationen stellen sich die Belegschaften, Kunden und Geschäftspartner zunehmend vielfältig dar. Technisierung, Virtualisierung und Mobilität haben die Welt verändert und so stellen grenzüberschreitende Arbeitsgruppen und globale Märkte oder Produktionen eine neue Realität – und die Zukunft dar. Diversity bietet hierfür einen langfristig tragfähigen Ansatz.

Erstmals veröffentlicht im Oktober 2005 auf Boell.de unter Migration – Integration – Diversity: Politik & Gesellschaft